USUAL DISCLAIMER

"GERECHTE UNTER DEN VOLKERN" is a gay story, with some parts containing graphic scenes of sex between males. So, if in your land, religion, family, opinion and so on this is not good for you, it will be better not to read this story. But if you really want, or because YOU don't care, or because you think you really want to read it, please be my welcomed guest.

GERECHTE UNTER DEN VOLKERN von Andrej Koymasky © 2011
am 21. Mai 2004 geschrieben
Deutsche Übersetzung: Mario Mosa
KAPITEL 3
FEBRUAR 1940

Seit fünf Monaten, mit Ausschluß des Angriffs auf Tschechoslowakei im März vorherigen Jahres, war der Krieg ausgebrochen, als Großdeutschland trotz der Warnungen von England und Frankreich auf Polen einstürzte.

Mark war auf die Front geschickt worden. Kurz nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten wurde Helmut vom KZ Sachsenhausen freigelassen, denn er hatte eine Erklärung unterzeichnet, er wolle in die Wehrmacht eingezogen werden. Wolfgang freute sich sehr, ihn wiederzusehen. Er war dünn geworden, hatte einen sehr harten Ausdruck auf seinem Gesicht und hatte keinmal gelächelt.

Kurz nach Helmuts Abfahrt zur Kriegsfront sah Wolfgang eine kurze Weile Heinz, der ihm mitteilte, daß sich Helmut vor seiner Freilassung aus dem KZ mit der Verschneidung einverstanden hatte. Wolfgang empfand großen Schmerzen dafür und sah den Grund des harten Gesichtsausdrucks seines Freundes ein. So wie auch warum ihm Helmut nichts davon hatte sagen wollen.

Konsequenzen dieser "Kennzeichnungsart" in einem nur von Männern bewohnten Milieu, bei denen es sich meistens um schwielige Verbrecher handelte, waren, daß die Schwulen des öfteren brutalen Angriffen und sexuellen Vergewaltigungen ausgesetzt wurden. Jüngere Homosexuellen wurden auch als KZ-"Huren" gehandelt.

Außerdem befahl das Reich allen jüdischen Gemeinschaften in Polen, sich auf ihren Kleidern den gelben sechsspitzigen Stern zu nähen, der sie als Juden kennzeichnen sollten. Ohne dieses Merkmal durften sie nicht von Zuhause gehen, sonst würden sie deportiert.

All diese Nachrichten machten Wolfgang jeden Tag mehr betrübt. Er fragte sich mal, bis wohin dann diese Verrücktheit der Menschen gedeihen würde, die die Macht in Deutschland in ihren Händen ergriffen hatten - und sprach mit seinem Vater darüber.

"Aber was willst du machen, Wolfgang? So geht die Welt: Stärkeren essen Schwächeren. Es heißt 'natürliche Auslese'".

"Bei Tieren kann es so sein, wie du sagst, Vater. Aber sind wir denn Tiere? Wenn wir uns gleichartig benehmen, so legen wir uns auf ihrem Niveau".

"Laß dich nicht mit diesen Ausreden außerhalb dieser Wände hören... Und auch hier im Inneren... unsere Diener sind vertraulich, aber man kann es nie wissen. Du darfst nicht unsere Regierenden mit Tieren vergleichen, mindestens nicht mit lauter Stimme. Jedenfalls sollst du nicht nur die Fehler schauen, die sich in der Machtleitung geben können, schau mal auch das Positive...".

"Ich kann immer wenigere positiven Sachen sehen, Vater. Mit meinem ganzen besten Willen, kann ich immer weniger Positives sehen. Man posaunt immer wieder allen Winden die Oberherrschaft unserer Zivilisation im Vergleich zu den anderen... - aber hier scheint es mir, daß sich hier die Termine haben umkehren lassen: so daß man 'Zivilisation' nennt, was im Gegenteil die allerschlimmste Unmenschlichkeit ist".

"Oh, Wolfgang, jetzt übertreibe nicht! Wie kommst du dazu, unsere Regierenden zu beurteilen? Wer glaubst du zu sein? Wer in den Zimmern oben wohnt, der sieht was wir hier nieder unermöglicht sind zu sehen - und trifft die richtigen Entscheidungen, um...

"Wer glaube ich zu sein, Vater? Ein menschliches Wesen, einfach ein Mensch, kein Tier!".

"Angenommen, du habest Recht. Was willst mal machen, eh? Rebellieren? Von den Dächern oben schreien? Ein Bombenattentat schaffen? Was willst du machen, angenommen, wie ich sagte, daß du Recht hast?

"Keine Ahnung, Vater. Ich schäme mich immer mehr, ein Deutscher zu sein. Und ich verärgere mich sehr, so unmächtig zu sein".

"Oh, oh, ich hab dir gesagt, nicht zu übertreiben. Übertreibe nicht, jetzt! Vergießest du vielleicht wie groß unser Volk ist? Goethe, Wagner, Beethoven?...

"Alle tot und begraben. Und was würden sie heutzutage machen? Entweder würden sie sich mit Selbstverkauf den jetzigen Machthaben beugen, oder würden sie das gleiche Ende deren begehen, die sich nicht haben beugen lassen: in irgend einem KZ hingeschlachtet. Ich bin verwechselt, Vater. Gerne möchte ich was machen, aber ich weiß nicht einmal, woher ich anfangen soll...",

"Also fange mit dem Schweigen an. Fange an, gewisse gefährliche Gedanken, gewisse Vorurteile bei dir zu halten. Erstes Gesetz für jeden Menschen, so wie auch für jedes Tier, für jede Pflanze, ist das Überleben. Wolf und Lamm sind nicht ein besser als das andere: beide machen alles Mögliche zum Überleben".

"Aber das Lamm zerfleischt den Wolf nicht".

"Desto schlimme für es" kommentierte der Vater. "Übrigens schützt der Hirt seine Schafe vom Wolf, nur weil er sie ausbeuten will: zuerst, um ihnen die Wolle dann die Milch zu nehmen, dann schlachtet er sie, um sie zu essen. Wie du siehst, gibt es doch kein großer Unterschied zwischen dem guten Hirten und dem bösen Wolf"...

Einem Dienstagabends befanden sich sowohl Baron Hermann-Lothar von Schlegel wie auch sein Sohn Wolfgang-Siegfried in der Druckerei.

Dem Wolfgang fiel es auf, daß Thaddäus, mit der Bereinigung einer Farbauftragswalze einer Druckmaschine beschäftigt, sehr müde aussah.

Er rief ihn: "Putz dir gut die Hände. Dann nimm jenes Druckstoffpaket mit und liefere es an Herrn Müller. Weißt du, wo er wohn, nicht?".

"Herr Müller, der Gymnasiumsleiter, mein Herr?".

"Ja, eben".

"Aber soll ich ihm das Paket nach Hause oder in die Schule bringen?".

"Bei ihm zu Hause. Es soll eine Privatsache sein, nicht zur Schule. Ein Heft, das er selbst geschrieben hat. Und wenn du ihm das Paket geliefert hast, geh nach Hause. Du brauchst nicht, her wieder zu kommen".

"Sehr gut, mein Herr. Ich putze mich und gehe".

"Weißt du es, wo er wohnt?" fragte wieder Wolfgang.

"Ja, in Germendorf, im Teile meiner Wohnung entgegen".

"Ist das zu weit? Ist das Paket für dich zu schwer?

"Nein, mein Herr. Kein Problem".

"Gut, also".

"Bis morgen früh, dann, mein Herr".

"Ja, bis morgen früh".

Nach kurzem nahm der Junge das Paket mit und ging hinaus. Er war seit wenigen Minuten weg, als Wolfgang das Brummen zweier Autos hörte, die außerhalb der Druckerei anhielten.

Vier Agenten der Ortspolizei mit einem zivil bekleidetem Mann kamen rein. Den zivil bekleideten Mann anerkannte Wolfgang aus seiner Tracht und seinem Aussehen als ein Gestapo-Mitglied.

Der Unterführer-Polizist fragte ihn: "Sind hier die Juden Aaron Brenner und Thaddäus Brenner?".

"Sie wissen gut, daß sie bei uns arbeiten" antwortete Wolfgang.

"Wir haben einen Haftbefehl. Führen Sie uns zu ihnen, Herr Wolfgang".

"Aaron ist er. Nehmen Sie ihn mit, wenn Sie wollen. Thaddäus ist im Moment nicht im Hause. Ich habe ihn nach Hause geschickt, denn er war gesundheitlich schlecht".

"Nein, zu Hause war er nicht. Wir haben schon seine Eltern verhaftet und zu Hause ist niemand mehr sonst".

"Aber was Übles hat Familie Brenner getan?" fragte Wolfgangs Vater, als er der Gruppe nahekam.

"Verschwörung gegen das Reich. Sie müssen unverzüglich nach Berlin übertragen werden, um dort befragt zu werden" antwortete der Gestapo-Mann.

"Verschwörung? Die Brenner? Aber es sind nur arme Leute... Sehen Sie Verschwörer überall, Sie?" sagte der Baron sarkastisch.

"Ihre Namen waren auf einer Aufstellung einer Berliner Zionisten-Geheimgruppe zu lesen" sagte der Gestapo-Mann ganz schroff. Dann fragte er: "Ihr Sohn hat uns gesagt, der Jude Thaddäus Brenner ist zu Hause, aber dort war er nicht. Wo ist er?".

"Soll ich etwa die Juden dieser Stadt hüten?" antwortete ebenso schroffen Tons der Baron. "Hat Ihnen mein Sohn gesagt, ihn nach Hause geschickt zu haben, kann ich Ihnen nichts mehr als das sagen. Ich verfüge über keiner Kristallsphäre. Benutzen Sie die Ihrige, wenn Sie eine haben".

"Oh, wir werden ihn ausfindig machen, bleiben Sie sicher!" sagte der Gestapo-Mann und ging hinaus.

Die Polizisten gingen ebenfalls hinaus mit Aaron an den Armen. Sie ließen ihn in ein der beiden Autos ein und fuhren sofort weg schnell gerannt.

Wolfgang war erschüttert. "Vater, ich gehe nach Hause wieder. Hier ist nichts mehr fertigzubringen heute abend".

"In Ordnung. Ich werde selbst verschließen".

Wolfgang machte sich rasch auf den Weg seinem Zuhause entgegen in Richtung der Müller-Wohnung. Er mußte sofort Thaddäus verständigen, sich zu verstecken, ihn in Sicherheit bringen. Aber wo konnte der Junge hin? Auch wenn er sich bei einer der wenigen Juden-Familien in Oranienburg hätte bergen können, wäre er im Nachforschungsfall in Gefahr gewesen. Und außerdem hätte er die gleiche Gefahr seiner gastgebenden Familie geschaffen.

Er mußte ihm einen sicheren Platz suchen, wo ihn niemand hätte ausfindig machen können...

Er ging schnell und endlich fand er Thaddäus, der zurückkam. Als der Junge den Wolfgang sah, machte er sich in sein Lächeln auf, gemischt mit etwas erstauntem Ausdruck.

"Suchen Sie mich, mein Herr?" fragte er ihn.

"Ja, Thaddäus. Du sollst nicht nach Hause zurück...".

"Gibt es noch Arbeit in der Druckerei zu erledigen?" frage ihn ruhig der Junge.

"Du darfst auch nicht in die Druckerei. Komm mit" sagte ihm Wolfgang, dem es sofort einfiel, wo er den Jungen zu bergen hatte.

Er wollte ihm noch nicht mitteilen, was sich passiert hatte, nicht dort, wo alle Leute sie hätten hören können. Mit raschem Schritt machte er sich auf dem Weg nach Hause, ein paar Gebäudeblock vor der Wohnung der Brenner. Er schaute sich immer wieder nervös herum. Alle Straßen waren gewüstet, es war fast Abendbrotzeit und alle waren schon zu Hause.

An der Villa von Schlegel drehte Wolfgang sie um und ließ Thaddäus von der kleinen Gartenpforte ein, die auf den Fluß Havel gab. Er sicherte sich, daß niemand der Diener sie sehen konnte und führte ihn hinauf durch die Treppe bis zu den Dachstuben. All seine Sinne waren wach: er war sich selbst bewußt, sollte ihn jemand mit dem Jungen sehen können, daß nicht nur Thaddäus, sondern auch er in der Gefahr waren, angezeigt und verhaftet zu werden.

Als sie die Dachstuben erreichten, ließ Wolfgang Thaddäus auf einem alten Bett sitzen.

"Thaddäus, jetzt hör mich aufmerksam an" sagte er ihm ganz leise und mit dringendem Ton, "in die Druckerei ist die Gestapo mit der Oranienburger Polizei gekommen, um Aaron wegen Verschwörung zu verhaften. Sie hatten deine Eltern schon verhaftet. Deshalb sollst du nicht nach Hause, da sie dabei sind, dich auch aufzusuchen. Du wirst hier bleiben und ich werde mich darum kümmern, dich irgendwie in Ordnung zu machen...".

Thaddäus war bleich geworden und stand auf: "Ich darf hier nicht bleiben, mein Herr. Ich muß dorthin, wo meine Eltern und mein Bruder sind, ich muß mit ihnen bleiben...".

"Und wohin? Warum? Deine Familie ist nicht mehr in Oranienburg, man hat sie ganz nach Berlin überführt...".

"Ich darf sie nicht im Stich lassen. Ich werde mich der Oranienburger Polizei liefern...".

"Thaddäus, auch wenn du dich hin lieferst, ist es sehr schwer, daß man dich hinführt, wo man deine Eltern und deinen Bruder geführt hat. Und glaubst du es nicht, daß auch sie ruhiger wären, wenn sie mal wissen, daß du zumindest entlaufen bist? Glaubst du es nicht, daß du ihnen größeren Schmerzen schaffen würdest, sollten sie wissen, daß du ihre gleiche Gefahr läufst? Weißest du es nicht, daß eine Anklage wegen Verschwörung gegen das Reich genau so gilt, wie ein hundertprozent sicherer Todesurteil?".

"Thaddäus zitterte sichtbar: "Mein Herr, man hätte nichts bei uns zu Hause finden können... Aaron verbrannte immer jegliche Papiere, die er von Berlin erhielt...".

"Man hat nichts gefunden, vielleicht, bei euch zu Hause, aber der Name Brenner wurde aus einer geheimen Aufstellung einer Zionistengruppe, die in Berlin aufgefunden wurde... und so reicht es. Du kannst für sie nichts mehr machen... nur versuch mal, zu überleben!

"Aber wenn sie Aarons Namen gefunden haben, ist es nicht zu sagen, daß auch unsere Namen mit waren".

"Ich glaube es nicht, daß dies für die Gestapo-Leute ein großer Unterschied ist. Sollten deine Eltern im Freispruchfall freigelassen werden, was ich leider unter diesen Umständen sehr bezweifele, werden sie auf alle Fälle nach Hause zurückkommen. Dann kannst du ggflls. zu ihnen zurückkommen. Aber bis dahin sollst du hier bleiben".

"Aber warum laufen Sie diese Gefahr für mich, mein Herr?" fragte der Junge mit Versuch, die Tränen zu halten.

"Wäre es mir möglich gewesen, hätte ich sie gerne für deine ganze Familie gelaufen. Und die Gefahr ist sehr gering, wenn uns hoffentlich niemand herauf hat steigen sehen können: die Polizei wird nie hier unsere Wohnung durchsuchen. Mein Vater ist ein Partei-Mitglied und ist in guten Beziehungen zu vielen wichtigen Persönlichkeiten in Berlin".

"Vielleicht... vielleicht... könnte Ihr Herr Vater etwas für meine Familie machen?".

"Ich befurchte nein, Thaddäus. Leider ist mein Vater nicht so wichtig - und außerdem weiß ich es nicht, ob er sich damit einverstanden erklärt, in dieser Richtung was zu unternehmen. Aber du mußt hier versteckt bleiben, klar?".

"Wie Sie wollen, mein Herr..." antwortete der Junge auf dem alten Bett heftig fallend.

Lautlose, mit Schwierigkeit zurück behaltene Schluchzer erschütterten Thaddäus Leib. Wolfgang nahm Platz neben ihm und umschlang seine Schulter mit einem Arm.

"Du mußt viel aufpassen, dich von niemandem hören zu lassen. Ich weiß es nicht, bis wohin ich mich unserer Diener vertrauen kann. Zur Zeit übernachte auf diesem Bett. Morgen früh werde ich heraufkommen und wir werden eine bessere Herbergungsweise suchen, sollte jemand herauf kommen. Und ich muß auch das Mittel finden, dir die Ernährung zu bringen... so wie auch zur Toilette, zum Waschen... es wird kein leichtes, gefälliges Leben sein, ich weiß es, aber mindestens, bis du hier bist, bist du sicher".

"Aber warum machen Sie das für mich, mein Herr?" fragte neuerdings der Junge, als er ihn mit tränenreichen Augen schaute.

"Weil ich es machen kann... weil ich es machen muß. Sollte ich es nicht machen, so wäre ich daran schuldig, was sich dir passieren kann. Weil es richtig ist, zu machen. Versprichst du mir, kein Krach zu machen? Daß du nachts kein Licht anmachst?".

"Ja, mein Herr, vielen Dank. Aber sollte man mich ausfindig machen..., dann werde ich sagen, ich bin heimlich hereingekommen, als ich die offene Türe gesehen habe... ich werde nicht sagen, daß Sie mich heraufgeführt haben... Aber sicher kann man nicht meiner Familie helfen, mein Herr?".

"Ich befürchte es, Thaddäus. Und ich bedauere es sehr. Ich sollte irgend jemanden bei der Gestapo kennen, aber dort kenne ich niemanden, nicht einmal mit kleiner Bedeutung. Es ist nicht aus Furcht, mich auszustellen, daß ich dir sage, nichts machen zu können, glaube mir. Wüßte ich, es gäbe sich eine auch geringe Aussicht, auch mit Risiko, werde ich mal versuchen, was zu unternehmen...".

"Ja, ich glaube Ihnen, mein Herr. Danke. Entschuldigen Sie mein Bestehen...".

Wolfgang stand auf: "Ich empfehle dir, Thaddäus, kein Krach, laß dich nicht hören. Sobald ich kann, werde ich zu dir kommen, ohne Gefahr, ich werde sicher kommen, aber nicht früher als morgen!".

"Danke, mein Herr!".

Wolfgang kam zum unteren Stock, ganz rechtzeitig vor Vaters Heimrückkehr. Am Tisch schwieg der junge Mann.

"Es scheint, daß es dem jungen Thaddäus Brenner geklappt hat, mit heiler Haut davonzukommen. Vielleicht hat er seiner Eltern Verhaftung rechtzeitig gesehen. Wer weiß, wo er sich hat verstecken können?" sagte plötzlich der Vater.

Wolfgang schaute ihn an und dachte, ob er ihm sagen wollte, er stelle sich etwas vor, aber der Vater schaute ihn nicht und ging weiter ruhig essen.

"Ja, vielleicht ist es so, wie du sagst".

"Ich bedaure es sehr, zwei gute Arbeiter verloren zu haben. Ich muß beim Kommando um noch zwei andere Juden bitten, besser wenn jung. Ich hätte es nie geahnt, die Brenner waren Verschwörer, sie sahen gar nicht als solche aus. Andererseits, da die Jungen immer hier arbeiteten, hätten sie nicht einmal die Zeit, sich mit anderen Juden zu versammeln, um was zu verschwören".

"Sich in Sicherheit zu stellen heißt nicht Verschwörung" ließ ihn Wolfgang bemerken. "Jedoch ich verstehe es, der Wolf verärgert sich, wenn das Lamm versucht, ihm zu entlaufen" sagte ihm dann mit Sarkasmus.

Der Vater schaute ihn an, etwas überrascht, wahrscheinlich des sarkastischen Tons wegen als wegen seines ausgedruckten Gedankens.

Dann sagte er: "Nah... ehrlich gesagt, hoffe ich es sehr, jenem Thaddäus es klappen werde, mit heiler Haut davon gut zu kommen, obwohl ich es bezweifle. Wer kann jenen kleinen Jungen verstecken, wenn man sich über die Konsequenzen jenes Handlungsweise im klaren ist? Ja, ich hoffe, daß der junge Mann mit heiler Haut davonkommt: die Gestapo-Männer möchten mich am Arsch lecken. Sie halten sich als Halbgötter. Der Gedanke, daß ihnen ein kleiner junge Mann entlaufen kann, läßt mich gerne amüsieren!

"Diesmal sollst du besser vorsichtig sein, wie du sprichst, Vater... Die Diener könnten dich hören" sagte ihm Wolfgang schon wieder mit Sarkasmus.

"Ich war dabei zu denken, wir wären hier zu Hause am Besten sicher, sollten wir als Diener über alle Juden verfügen. Sie würden sicher nicht spionieren, was wir sagen, und es irgend wem berichten" sagte der Vater bedacht. Und fügte dann hinzu: "Und ich sollte sie nicht einmal bezahlen, es genügte, ich gebe ihnen zu essen und ein Bett".

"Es könnte eine gute Idee sein" sagte Wolfgang, etwas erstaunt.

"Aber was für gute Idee! Du kannst ein Scherz von einer ernsten Sache nicht unterscheiden, Wolfgang! Was könnte man von mir denken, sollte ich mein Haus mit Juden erfüllen? Eine Sache ist die Druckerei, eine Sache ist die Dienerschaft zu Hause. Viele Industrielle nehmen jüdische Arbeitskräfte in Anspruch, das gehört den Regierungsplänen, aber niemand von meinen Bekannten benutzt einen einzigen jüdischen Diener zu Hause! Habe ich denn einen so naiven Sohn auf die Welt gebracht? Wäre ich nicht der Treue deiner Mutter sicher gewesen, könnte ich denken, dein Vater wäre irgend wer sonst!".

"Du sprichst nie von meiner Mutter... Warum?" fragte ihn Wolfgang.

"Warum... warum... Weil es unnützlich ist, an die Vergangenheit zu denken! Sie lebt nicht mehr und das reicht. Was soll ich dir von ihr sagen? Das Gewöhnliche, das man von Verstorbenen sagt? Daß sie gut, schön, höflich, fromm usw. war? Bitte erspare es mir!".

"Aber du liebtest sie, die Mutter!".

"Wir respektierten uns einander. Andererseits hatten wir uns geheiratet, nur weil unsere Familien so beschlossen hatten. Liebe hat niemals eine Rolle gespielt. Man respektierte uns einander, sie war eine gute und treue Gemahlin, ich war zu ihr ein werter Ehemann, habe ich ihr nie etwas unterlassen".

Wolfgang bemerkte, daß sein Vater gut zweimal auf die Treue seiner Mutter hingewiesen hatte, aber nie gesagt hatte, er sei ebenfalls ihr treu gewesen.

"Hattest du eine Liebhaberin, Vater? Liebtest du eine andere Frau?".

"Nein. Die einzige Frau in meinem Leben war deine Mutter".

"Sie starb als sie auf das zweite Kind wartete, gelt? Es hätte mir sehr gefallen, einen Bruder oder eine Schwester zu haben".

"Morgen früh in der Druckerei erinnere mich daran, ich soll das Kriegsministerium anrufen, daß die Handbücher schon bereit sind. Sie werden sich freuen, daß sie eine Woche vor der vereinbarten Zeit fertiggedruckt sind".

"Morgen früh darf ich etwas später in die Druckerei kommen? Ich bin etwas müde und benötige, mich etwas mehr auszuruhen. Außerdem möchte ich die Bücher in meinem Schlafzimmer verordnen".

"Ja, unterlasse zu kommen, morgen früh. Wir werden zusammen nachmittags hin. Aber nachmittags erinnere mich, frage mich ob ich telefoniert habe. Letztlich neige ich dazu, einige wichtige Sachen zu vergessen. Vielleicht soll ich mich auch etwas ausruhen!".

"Warum gehst du nicht in unser Cottage am See? Du bringst die Diener mit, du wirst ein paar Tage genießen...".

"Es könnte eine gute Idee sein. Nunmehr kannst du selber die Druckerei allein weiterleiten. Wenn das Klima besser ist, werden wir mal noch sprechen".

Als der Vater später in den Saal zum Rundfunkhören zurückzog, kam Wolfgang in die Kuche. Wie er hoffte, war die Köchin nicht mehr da. Er nahm ein großes Tuch, legte drei Scheiben Brot darin, ein hart gekochtes Ei, ein großes Stück Käse, eine Tomate und ein paar Früchte darin. Er verknüpfte die Zipfel dann nahm er eine Flasche, die er mit Wasser erfüllte und mit einem Kork verschloß. Er fragte sich, ob Thaddäus auch Wein trank. Er mußte es ihn fragen.

Er brache alles in sein Zimmer und steckte es in den Schrank. Dann dachte er, daß er dem Thaddäus auch etwas zum Lesen bringen könnte; denn es sehr langweilig gewesen wäre, lange Zeit dort oben zu verbringen, ohne was zu tun. Da er nicht wußte, was ihm zu bringen, dachte er an die Anthologie der deutschen Literatur seiner Gymnasiumszeit. Unter vielen Stellen hätte Thaddäus etwas Angenehmen finden können.

Dann legte er sich im Bett hin und dachte an den Jungen, der im zweiten oberen Stock schlief. Angenommen, daß er schon eingeschlafen war. Als er neben ihm Platz nahm und ihm die Schulter mit einem Arm umschlang, bekam er keinen physischen Antrieb, sondern nur empfand er einen starken Ergriffenheitssinn. Und doch, jetzt, am Gedanken an ihn, an seine süße Schönheit, fing er an, angetrieben zu werden.

Was für eine Seltsamkeit. Vielleicht damals, mit dem ganzen Schmerzen des Jungen, gab es sich kein Raum für andere Gefühle, wenn nicht der Versuch, sein Leid zu mildern. Armer Thaddäus! Jetzt war ganz allein auf der Welt und hatte nur ihn, auf den zu rechnen.

Am frühen Morgen hätte er mit Thaddäus' Hilfe alle Sachen in der Dachstube gerückt, so daß er ihm einen Lebensraum schaffen würde... und auch eine Versteckecke, sollte jemand heraufkommen.

Als Kind war er oft hinaufgestiegen, um die geheime, bezaubernde Dachstubenwelt zu erforschen, und hatte sich sogar Versteckecken gebaut. Aber damals war es nur ein Spiel; jetzt war es im Gegenteil etwas schrecklich Ernstes.

Es gab ein Problem: die Treppe zu den Dachstuben, im Unterschied zu der in der alten Werkstätte, wo er sich Jahre zuvor mit seinen Freunden absonderte, knirschte nicht, daher konnte sie nicht als Alarm dienen. Wie konnte er machen, damit Thaddäus sich rechtzeitig im Notfall verstecken könnte? So wie auch verstehen könnte, ob es sich um ihn oder um einen Fremden handelte?

Eine einfache, jedoch funktionelle Methode war er nicht in der Lage, sich vorzustellen. Er mußte daran aufmerksam denken, Thaddäus konnte nicht im Versteck bleiben, das sie gebaut hätten. Glücklicherweise knirschte auch der Fußboden der Dachstube nicht, so daß Thaddäus gut hätte hin und her gehen können, ohne im unteren Stock gehört zu werden, insbesondere barfuß oder nur mit Socken.

Die verschiedenen Probleme häuften sich in Wolfgangs Gedächtnis viel rascher als ihre Lösungen an. Aber der junge Mann war entschieden, sie allen irgendwie zu lösen. Der Alarm nach dem Notversteck war das Allerwichtigste.

Die Dachstube fehlte an Heizung, mit Ausnahme der drei Rauchfänge der kleinen Kamine und der Küche. Er mußte ihm auch einige warme Anzüge so wie auch Ersatzwäsche geben, dem Thaddäus hätte er seine eigene Wäsche gegeben und die beiden würden sich abwechselnd umgetauscht, so daß er einmal seine Wäsche und das nächste Mal die des Thaddäus hätte waschen lassen; niemand würde es bemerken, daß sie etwas schmutziger als gewöhnlich gewesen wäre.

Er mußte ihm auch eine Taschenlampe mit abgeschirmtem Licht schaffen, die er nachts notfalls anmachen könnte, sollte er benötigen, sich irgendwie zu bewegen... Das Licht... Die elektrischen Lampen, die am Plafond nackt hingen... könnte er die Weise finden, wie sie anderswie anzumachen, sollte jemand sonst als er heraufkommen, vielleicht könnte das ihr Alarmsystem werden... Aber er verständigte sich sehr wenig um elektrische Anlagen.

Hätte er nur jemanden um Hilfe bitten können! Die einzigen Freunde, auf die er selbstbewußt hätte rechnen können, etwa wie Mark und Friedrick, waren nicht mehr in Oranienburg.

Am frühen Morgen, nachdem er seinen Vater von der Villa hinausgehen hörte, stieg er zum Frühstück unten. Er versteckte sich andere Speisen in der Tasche. Er machte sich eine Tüte mit Zucker und steckte auch diese in die Tasche. Dann kam er in die Küche, um ein Milchbecher zu holen, die er, wie er der Köchin mitteilte, in sein Zimmer bringen würde... Schließlich stieg auch er zur Dachstube mit allen Speisen, die es ihm geklappt hatte, zusammenzukratzen.

Als er hereintrat, sah er Thaddäus noch gestreckt, ganz angezogen, auf dem Bett schlafen. Er mußte unbedingt ein Alarmsystem finden: sollte statt seine jemand anderer sonst heraufgestiegen sein, hätte man den Thaddäus sofort gefunden, wenn er wie jetzt schlief.

Er näherte sich dem Bett. Thaddäus' Gesicht war leicht verärgert, obwohl im Schlaf gestreckt. Guter Gott, wie schön war er! Wolfgang konnte dem Impuls eines Streichelns nicht widerstehen. Er streifte ihm eine Wange. Am dritten leichten Streicheln machte der Junge die Augen erschrocken auf. Dann sah er Wolfgangs lächelndes Gesicht und entspannte sich in warmem Lächeln.

"Oh, Sie sind, Herr Wolfgang! Ich hatte Sie nicht herein gehört. Ich schlief zu tief".

"Das ist ein der Probleme, die wir lösen müssen. Inzwischen habe ich dir etwas zum Essen gebracht. Gestern abend hast du nicht gegessen. Jetzt iß. Ich habe dir auch dieses Buch gebracht, wenn du was lesen willst".

Er machte das große Tuch auf, hinzu fügte er auch was er am Morgen genommen hatte, legte das Milchbecher und die Flasche Wasser mit.

"Ich habe weder Besteck noch Teller, noch ein Glas mitgenommen. Das nächste Mal werde ich dir all das bringen".

"Stören Sie sich nicht. Ich kann wohl mit Händen essen und das Wasser an der Flasche trinken. Danke für alles. Sie sind wirklich gutherzig, mein Herr. Wie kann ich Ihnen danken?".

"Vorerst warum redest du mich nicht mit dem Du an? Ist es nicht einfacher? Hast du gut schlafen können?".

"Ja, Danke schön. Ich habe nicht sofort einschlafen können, daher schlief ich noch, als Sie... als du hereingetreten bist".

"Wie ich dir sagte, sollen wir dieses Problem erledigen. Die Diener und mein Vater kommen nicht so oft herauf, aber sie könnten heraufkommen, wenn wir es nicht erwarten. Sie sollen dich nicht sehen".

Wolfgang schaute Thaddäus, als er aß. Dann forschten sie die ganze Dachstube zusammen und besprachen, wie sie mal organisieren könnten, um Thaddäus' Aufenthalt bestmöglich bequem machen zu können, da Wolfgang befürchtete, sie wäre sehr lang gewesen.

Alte Möbel befanden sich dort, Schränke, Kommode, Anrichten, Kasten, große Kartons und Körbe, das Bett, auf dem Thaddäus geschlafen hatte, Stühle und einige Tische mit verschiedenen Größen, zwei alte Sofas, Hutschachteln, ein altes Klavier... eine Menge dort oben seit mindestens drei Generationen aufgehäufte Gegenstände.

Hinter einem Schrank, den sie zu rücken begannen, um eine Wand zur Bettdeckung davon zu machen, entdeckten sie eine Nische. "Diese könnte wohl als Versteck dienen" sagte Thaddäus, "ich kann unter dem Schrank hineinkriechen und dann aufstehen".

"Ja, aber wenn man beugt, kann man deine Füße sehen" entgegnete Wolfgang.

"Ein Anhaltspunkt etwas mehr oben reicht... und vielleicht vor dem Schrank steht ein anderer schwerer Möbel...".

Sie überlegten zusammen die Nischegestalt. Sie war hoch genug, aber es gaben keine Anhaltspunkte, um mit den Füßen darauf zu klettern.

"Wenn wir ein Stück deines Eßtisches an halber Höhe fixieren können, dann könnten deine Füße hoch genug sein, um nicht gesehen zu werden und ebenfalls wärest du weniger unbequem".

"Aber wie können wir ihn fixieren? Wenn alles geräuschlos gehen muß, kann man ihn nicht an den Wänden fixieren" entgegnete der Junge.

"Druckweise, mit zwei Seitenkeilen, so daß sich der Tisch noch kräftiger eindringt, wenn du darauf Platz nimmst. Dann komme ich wieder mit einem Meterstab für die Abmessungen, dann lasse ich die Stücke vom Schreiner bauen, dem ich sagen werde, daß ich sie für die Druckerei benötige..." sagte Wolfgang.

In einem Anrichteschrank fanden sie auch einige alte Teller, Gläser und Eßbestecke. Sie wählten die am besten aussehenden zur Thaddäus' Benutzung und legten sie in eine Hutschachtel unter einer alten Damenhut.

Sie rückten die Möbel weiter und entschieden, nach Sitzfixierung den Schrank der Nische gegenüber wieder zu stellen mit dem Klavier abseits als Stützpfeiler, dem Bett und einem der Tische mit Kartons und Körben, so daß alles als zufällig aufgehäuft aussah.

Die Zeit war schnell geflohen, es war fast Mittagessenszeit.

"Jetzt muß ich absteigen. Ich weiß es nicht, ob ich ein oder zweimal jeden Tag heraufkommen kann. Nachts werde ich dich herunterführen zur Toilette. Solltest du es dringlich verrichten, benutze mal das Eimer und decke es, dann werden wir es nachts sauber machen. Wenn ich dich zur Toilette begleiten soll, wird das der gefährlichste Zeitpunkt sein".

"Wie viele Probleme, um mir zu helfen!".

"Kümmere dich nicht darum. Ah, ich wollte wissen: ist zufällig die Taschenuhr zu Hause geblieben?".

"Thaddäus lächelte und zog sie aus der Tasche heraus: "Ich trage sie immer mit. Ich trenne mich nie davon".

"Ich bin nicht abergläubig, aber ich wünsche dir, daß sie dir Gluck bringt, Thaddäus" sagte er ihm Wolfgang, mit einem Streicheln auf der Wange.

Der Junge nahm jene Hand in die Seinen, brachte sie zu den Lippen und küßte sie. Wolfgang zitterte an jenem leichten, zarten Berühren. Herrgott, wie er es wünschte, den Thaddäus in seine Arme zu nehmen, ihn an sich anzuschmiegen, ihn zu küssen...

Mit ihm Liebe zu machen!

CONTINUES IN KAPITEL 4


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