USUAL DISCLAIMER

"GERECHTE UNTER DEN VOLKERN" is a gay story, with some parts containing graphic scenes of sex between males. So, if in your land, religion, family, opinion and so on this is not good for you, it will be better not to read this story. But if you really want, or because YOU don't care, or because you think you really want to read it, please be my welcomed guest.

GERECHTE UNTER DEN VOLKERN von Andrej Koymasky © 2011
am 21. Mai 2004 geschrieben
Deutsche Übersetzung: Mario Mosa
KAPITEL 5
JULI 1942

Seit zwei Jahren lebte nunmehr Thaddäus ohne aller Wissen in der Dachstube der Villa von Schlegel verbannt. Gott sei Dank waren keine Probleme entstanden. Wolfgangs und Thaddäus Liebe wuchs immer stärker und schöner.

Thaddäus hatte nunmehr kein Problem mehr in der Akzeptierung auch des sexuellen Teils ihres Verhältnisses. Im Gegenteil betete er jeden Tag seinen Gott, Er möchte ihre Liebe beschützen.

Dem Wolfgang hatte es auch geklappt, ein sinnvoll ausgedachtes Alarmsystem zu installieren, auch wenn sie bisher die Gelegenheit noch nicht hatten, es zu benutzen. Zum Thaddäus' 18. Geburtstag und dann zum 19. Wolfgangs hatte es ihm gelungen, oben in der Dachstube eine kleine Party mit Süßwaren und köstlichen Weinen zu organisieren.

Selten war sein Vater weg, insbesondere als er sich am Wochenende zu ihrem Cottage am See fuhr und alle seine Diener mitführte. Bei diesen Gelegenheiten hatte also Wolfgang seinen Thaddäus von der Dachstube herausholen können, um ihn ein Bißchen in seinem Garten spazieren zu lassen, als die beiden in der Villa hinterbliebenen Diener, die Köchin und er Kellner, miteinander verheiratet, am Sonntag morgen in die Kirche gingen.

Die deutsche Wehrmacht hatte nunmehr Europa größtenteils erobert, aber in Oranienburg hatte der krieg verblaßte Echos, abgesehen von den am Rundfunken kundgemachten Siegesproklamationen der deutschen Kommandos, die manchmal der Baron mit leichtem Befriedigungslächeln zuhörte.

Im Juni hatte Wolfgang eine fürchterliche Nachricht erfahren. Er hatte nie mit allerdings diskreten Nachforschungen aufgehört, um Nachrichten über Thaddäus' Eltern und Bruder zu wissen. Von offiziellen Recherchen mußte er sowieso Abstand nehmen, denn es wäre verdächtig aufgefallen, daß ein Arier soviel Interesse an drei Juden hätte.

Aber nachdem er erfuhr, daß Friedrick zum Hauptmann befördert wurde und jetzt in den Heer-Geheimdiensten in den Berliner Ämtern arbeitete, so hatte er ihn nach Berlin aufgesucht. Er war schon davon bewußt, Friedrick würde ihn nie verraten, jedoch verschwieg er ihm vorsichtshalber, daß Thaddäus in seiner Villa verborgen war.

Als er zu ihm nach Berlin kam, nachdem ihn Friedrich in ein elegantes Restaurant in der Hauptstadt eingeladen hatte, wo sich Offiziere mit einem der jüngeren Kellnern abtrennen durften, konnten sie dann der Zoogarten-Umschließungsmauer entlang zusammen spazieren.

"Friedrick, seit zwei Jahren habe ich keine Nachricht mehr über eine Oranienburger Familie, die von der Gestapo verhaftet wurde...".

"Von wem sprichst du? Kenne ich sie?"

"Es sind Juden... Sie wohnten unserer Villa benachbart. Es sind die Brenner, sie hatten eine Bäckerei...".

"Ich erinnere mich unbestimmt an sie. Der ältere war nicht ganz unschön... aber wieso möchtest du ihre Nachrichten wissen?" fragte ihn sein Freund, erstaunt, der aber kein "Anstoß" daran genommen hatte.

"Sie hatten zwei Söhne, die in unserer Druckerei arbeiteten... Der ältere hieß Aaron und der jüngere Thaddäus. Sie sind mit ihren Eltern verhaftet worden. Es waren gute Leute, ruhig, friedlich. Ich habe mich immer gefragt, welches Ende sie begangen haben können".

"Wer, Aaron oder der andere? Gab sich was Zartes zwischen dir und ihm?" fragte Friedrick pfiffig.

"Was Derartiges. Könntest du mich ohne viele Probleme über ihr Schicksal benachrichtigen?".

"Benachrichtigen... es kann sein. Der Bruder meines jetzigen Liebhabers arbeitet in den Archiven des Sondergerichtes. Vielleicht kann er sie ausfindig machen. Aber einmal entdeckt, wo sie sind, wird es m.E. schwer sein, sie herauszulassen... auch nur den Aaron. Ahnst du unter welcher Anklage sie verhaftet wurden?".

"Verschwörung gegen das Reich. So sagte uns der Gestapo-Mann. Soweit es auszusehen ist, habe Aaron an einer Juden-Geheimgruppe teilgenommen, die eine Flucht nach Palästina zu organisieren versuchten".

"Ja! Wenn er versucht, sich das Leben zu retten, wird ein Jude als Verschwörer gegen das Reich verzeichnet! Lächerlich dumm!".

"Wenn nicht tragisch" beschloß Wolfgang.

"Ich habe persönlich nichts gegen Juden, aber scheint es dir nicht, etwas zu... zart zu ihnen zu sein? Klar, ich meine, bei mir hätte ich ihnen gerne auch die Fahrkarte bezahlt, wenn sie nach Palästina oder anderswohin emigrieren wollten. Aber andererseits kann es sein, daß einige von ihnen faktisch an Verschwörungen teilgenommen haben. Vielleicht können deine Brenner unschuldig und anständig gewesen sein, wie du sagst, aber nicht alle sind so...".

"Weder mehr noch weniger als die anderen Deutschen. Sollte ein Arier wirklich gegen das Reich verschwören, sollte man deswegen irgend welchen Arier verfolgen?".

"Nein, sicher, es wäre absurd!".

"Eben".

"Ich verstehe. Du hast kein Unrecht".

"Meines Erachtens sind Juden weder besser noch schlimmer als wir Arier. Vielleicht mit Ausschluß, unter uns den Ariern, der Gestapo- und SS-Angehörigen. Es resultiert, daß sie vor ihrer Aufnahme in ihren Reihen einer Barbarei- und Bestialitäts-Prüfung unterliegen müssen.

"Glaubst du nicht zu übertreiben?" fragte ihn Friedrick.

"Wenn du in den Geheimdiensten arbeitest, solltest du besser als ich wissen, welcher Natur sie sind".

"Ich hoffe sehr, daß du diese Redensart nur mit mir hältst, Wolfgang. Paß auf, ich verrate dich nicht, aber nicht alle sind wie ich. Jedenfalls... befürchte ich sehr, dir Recht geben zu müssen. Hör mal, du hast sehr gut getan, mich nicht anzurufen, ich weiß, daß viele Linien kontrolliert und aufmerksam beobachtet sind. So weit es aussieht, ist unser vorgezogenes Spiel heute, uns einander zu spionieren. Verdacht hat manchmal Paranoia- und Spaltungsirreseinsaspekte... Ich werde mein Bestmögliches unternehmen, um dich zu benachrichtigen... und sollte ich zufällig einen kleinen Hoffnungsschimmer entdecken... wer weiß, daß ich sogar... ich verspreche dir nichts, ich bin nicht in der Lage, es zu tun, aber könnte ich mal deinen Aaron herauslassen...".

"Danke, Friedrick, du bist ein ehrlicher Freund" sagte ihm Wolfgang, ohne zu dementieren, was Friedrick zu verstehen geglaubt hatte.

"Sollte ich evtll. Nachrichten erfahren, werde ich dich für die Wünsche zum Geburtstag anrufen. Du wirst mich selbstverständlich foppen und mir sagen, daß ich mich geirrt habe. Um mich verzeihen zu lassen, werde ich dich nach Berlin einladen, um dir ein Essen anzubieten. Einverstanden?".

"Du hast völlig eine Spionsmentalität aufgenommen!" sagte ihm Wolfach lachend.

"Deshalb versuche ich noch zu überleben, obwohl ich ein Schwule bin, mein lieber Wolfgang. Gesetze und Vorschriften gegen uns werden immer strenger und schwieriger".

Wolfgang hatte beschlossen, dem Thaddäus nichts mitzuteilen, um ihm keine falsche Hoffnung zu schaffen. Friedricks Anruf erreichte ihn viel baldiger, als er erwartet hätte. Als er nach Belin kam, um ihn zu treffen, sah in seines Freundes Gesicht einen ernsten Ausdruck.

"Wolfgang, ich habe erfahren... Der jüngere Sohn ist augenscheinlich verschwunden, man weiß es nicht, wo er ist, ob er noch lebt. Die anderen drei Familienangehörigen, einschl. dein Freund Aaron, wurden nach Dachau überführt... und nunmehr können nicht mehr heraus".

"Aber leben sie noch?".

"Hast du es nicht kapiert? Sie können nicht mehr heraus, denn... sie sind alle drei umgekommen. Ich bedauere es sehr, Wolfgang".

"Bist du sicher?".

"Ja. In der Aufstellung der sechsundvierzig Juden, die an jenem Tag umgebracht wurden, enthielt die Namen beider Juden, Aarons und seines Vaters. Die Mutter wurde schon wenige Tage vorher mit anderen siebenundzwanzig Jüdinnen umgebracht".

"Weißest du, wie sie gestorben sind?".

"Begnüge dich, zu wissen, daß es kein natürlicher Tod gewesen ist. Anderes möchte ich dir nicht sagen. Bitte bestehe nicht weiter".

"Nein, einverstanden. Jedenfalls, Danke, Friedrick".

"Ich hätte es gerne gehabt, dir diese Nachricht nicht mitteilen zu müssen, insbesondere um deinen Aaron".

"Letzten Endes" sagte Wolfgang bitter, "waren sie nur Juden, was?"

Bei der Rückreise nach Oranienburg fragte sich Wolfgang, ob er den Thaddäus über diese Nachricht verständigen sollte oder nicht. Nein, er konnte es ihm nicht verschweigen, trotz des schweren Schlags, das er bekommen würde. Aber wie sollte es ihm sagen? Sollte er ihn vorbereiten, aber somit hätte er sein Leiden verlängert, oder ihn sofort verständigen?... Jedenfalls mußte er ihm sehr nahe sein.

Sobald er ankam, wollte er nicht in die Druckerei, sondern nach Hause direkt. Der Vater wußte es nicht, um wieviel Uhr von Berlin zurückkommen würde, also war kein Problem. Er ging oben in die Dachstube.

Thaddäus nahm ihn mit seinem schonen Üblichen Lächeln auf, das jedoch verschwand, als er den traurigen Ausdruck auf Wolfgangs Gesicht bemerkte. Er umarmte ihn und der junge Mann druckte stark den Buben an sich.

"Was ist los, Wolfgang, lieber?".

"Leider... eine schlechte Nachricht...".

"Hat man mich entdeckt? Weiß man, daß ich mich hier verstecke?".

"Nein, mein lieber. Sonst wären hier andere, nicht ich".

"Also?" fragte der Bube erleichtert.

"Deine Familie... ich habe erfahren...".

"Sie sind tot?" flüsterte der Bube.

"Ja".

"Alle? Alle drei?" fragte Thaddäus mit kleiner, schwacher Stimme.

"Ja, mein lieber" antwortete Wolfgang, mit Versuch, seine Tränen zu halten, wo er die Pein seines Geliebten spürte.

Doch nun hast du uns verstoßen und mit Schmach bedeckt, du ziehst nicht mit unserm Heer in den Kampf.
Du läßt uns vor unsern Bedrängern fliehen und Menschen, die uns hassen, plündern uns aus.
Du gibst uns preis wie Schlachtvieh, unter die Völker zerstreust du uns.
Ps. 44, 10-12

bat leise Thaddäus, der nach einer Weile weiterging:

Wach auf! Warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoße nicht für immer!
Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Not und Bedrängnis?
Ps. 44, 24-25

Sie blieben umarmt, aneinander dicht geschlossen. Dann Thaddäus sprach nach leichtem Seufzen:

Ein reines Herz erschaffe mir, Gott, und einen festen Geiste erwecke mir neu.
Von deinem Antlitz verstoße mich nicht, nimm von mir nicht hinweg deinen heiligen Geist.
Deines Heiles Wonne schenke mir wieder, in willigem Geiste mache mich stark.
Ps. 51, 12-14

Der Bube stand auf zwischen seines Freundes Armen, dann trocknete mit seinen Fingern die Tränen von Wolfgangs Gesicht weg.

"Weine nicht mein lieber, mein Geliebter. Sei stark mit mir und für mich. Nach dem Herrn Adonai bist du mein Fels, mein Stutz. Elohim hat gegeben, Elohim hat genommen; der Name Elohim sei gepriesen. Jb. 1, 21b

Wolfgang bewunderte die Seelenkraft seines Freundes. "Du bist stark, Thaddäus. An deiner Stelle wäre ich in volle Verzweiflung geraten. Ich bedauere herzlich... all das. Ich möchte gerne etwas mehr für dich machen".

"Du machst schon viel zuviel, Wolfgang. Nur dank deiner Liebe fühle ich mich nicht mehr allein, ich weiß, das mein Leben noch einen Sinn hat. Ich weiß es nicht, wie all das mal enden wird, wie lange noch unsere Betrübungen dauern werden. Aber erinnere dich daran, was auch immer sich ereignen wird, wird meine Liebe zu dir kein Ende haben".

Wolfgang mußte jetzt zur Druckerei wieder. Der Vater bemerkte einen seltsamen Ausdruck und fragte ihn den Grund.

"Ich bin nur etwas müde, Vater".

"Warum gehst du nicht jetzt zu unserem Cottage am See? Du hast von hier nie weg wollen...".

"Wir haben schon viel zu tun, es ist unzweckmäßig, daß ich weggehe. Ich werde mich mal dann besser ausruhen, wenn meine Gegenwart weniger notwendig ist".

"Ich verstehe es nicht, Wolfgang. Es ist so wie dich etwas hier in Oranienburg aufhält. Etwas oder... Jemand?".

"Jemand? Nein, wer dann, außer unserer Arbeit?" sagte Wolfgang etwas gespannt und fragte sich, ob der Vater etwas verdächtigte.

"Ich weiß es nicht. Ich habe dich nie mit einem Mädchen gesehen. Denkst du nicht daran, dir eine Familie zu schaffen? Interessiert dir kein Mädchen?".

"Nicht jetzt, solange der Krieg dauert. Alle meine Freunde haben zur Front gehen müssen, jemand ist auch gefallen, wenige sind in Berlin. Oranienburg sieht jetzt wie eine tote Stadt aus".

"Wir spielen unsere Rolle für unser Land, beim Drucken aller nötiger Materialien zur Unterstützung der Kriegsbemühungen. Jedenfalls wird dieser Krieg nicht so lange andauern. Unser Führer rafft einen Erfolg nach dem anderen dahin, unsere Feinde sind auf die Knie gezwungen. Nur dank unserer Macht wird dieser Krieg bald vorbei".

"Auch jetzt, daß die Amerikaner uns den Krieg erklärt haben?" fragte Wolfgang.

"Unsere japanischen Bundesgenossen halten sie im Schach. Wir haben etwas zu befurchten von den Amerikanern. Die Rußen ziehen unter dem siegreichen Vormarsch unserer Wehrmacht zurück und auch das stolze England wird bald seine Federn verlieren".

"Ich befürchte den Tag, wenn Hitler und seine Bande niemanden mehr finden werden, der sich ihnen widersetzt" sagte Wolfgang. "Umsomehr ihre Macht zunimmt, desto mehr wächst ihre Anmaßung".

"Diese deutschfeindlichen, unpatriotischen Gefühle von dir machen mich sehr besorgt" sagte ihm der Vater mit mißbilligendem Ton.

"Nein, ich liebe Deutschland genau so wie du, Vater. Was ich nicht liebe, ist was diejenigen, die sich als unsere Regierenden proklamiert haben, an unserem Vaterland machen".

"Schweige, schweige Wolfgang. Willst du denn unsere Familie zugrunde fallen lassen? Als du jünger warst, glaubte ich, es war dein junges Alter, wo Jungen normalerweise gegen ihre Eltern rebellieren, aber jetzt bist du ein Mann und du sollst nunmehr den Kopf zurechtgesetzt haben".

"Vielleicht hätte ich ihn schon längst zurechgesetzt, hätte man mich nicht gezwungen, zu denken, daß der "Kopf zurecht" nicht der, der die Politik unserer Regierenden unterstützt. Ich liebe unser Land, Vater, deshalb weine ich darum".

"Aber ausgerechnet zum Zeitpunkt, daß Großdeutschland über all seine Feinde zunimmt?".

"Die Feinde, die sie sich von selbst geschaffen haben, wo sie ihre eigenen Kinder und die Kinder der anderen umgebracht hat. Daß Deutschland sich unter der Führung unserer Kaiser vereinigt hat, ist mir richtig ausgesehen. Auch der Anschluß mit Österreich kann am Äußersten einen Sinn haben: wir sprechen alle die gleiche Sprache, wir haben gleiche Traditionen. Aber dann Schluß. Welches Recht haben wir, uns die Beherrschung anderer Völker anzumaßen?".

"Aber Wolfgang, das Recht des Stärkeren. Auch unter Wölfen wird der Stärkste der Rudelchef. Es ist ein Naturgesetz. Und Rudelchef kann er nicht werden, ohne gegen die anderen Wölfe zu kämpfen, bis alle seine Oberherrschung anerkennen und sich seinem Befehlen unterwerfen. Es ist Naturgesetz".

"Wie schön ist es, in einer Welt von Wölfen statt von Menschen zu leben!" rief Wolfgang sarkastisch auf.

"Der Wolf wählt es nicht, ob er als Wolf geboren werden muß. So dürfen wir nicht wählen, in welcher Welt geboren zu werden. Wir können nur die Welt akzeptieren, in der wir leben und versuchen, uns unseren Grub auszugraben, um überleben zu können".

"Eben, in einer Welt von Wölfen statt von Menschen", sagte Wolfgang zum Gesprächsschluß, um sich um eine augenscheinlich nicht gut gehende Rollmaschine zu kümmern.

Als es Gott sei Dank wieder Nacht war und er zu seinem Thaddäus wiederkam, streckte er sich mit ihm auf dem Bett hin und hielt ihn zwischen seinen Armen. Er fühlte sich nicht in der Lage, die Liebe zu machen, ebenso fühlte er, daß auch Thaddäus noch zu traurig war - und er selbst war.

Sie blieben so, lange schweigend, der eine in den Armen des anderen.

"Wie geht's mein Geliebter?" fragte Thaddäus.

"Kümmerst du dich um mich?".

"Sollte ich nicht? Um wen ich mich denn kümmern? Du bist alles, was mir jetzt übrigbleibt, du weißest schon gut. Nunmehr ist unsere Liebe unser ganzes Reichtum. Geht es dir gut, so geht es auch mir gut. Geht es dir schlecht, so geht es auch mir ebenso schlecht".

Plötzlich klang der Alarm: jemand kam herauf. Rasch rutschte Thaddäus unter das Bett, unter dem Schrank, in die Nische. Wolfgang schaute sich um, um alles zu verstecken, das irgendwie Thaddäus' Gegenwart verdächtigen lassen könnte. Er sah seine Taschenuhr auf dem Tisch, schloß sie den Kasten und steckte sie sich in die Tasche.

Die Türe eröffnete sich.

"Wolfgang, was machst du hier oben?" fragte er.

"Manchmal fühle ich es nötig, heraufzukommen... wo sich Mutters Gegenstände befinden" erklärte der junge Mann, in der Hoffnung, seiner Stimme einen überzeugenden Ton geben zu können.

"Mutters Gegenstände?" fragte der Baron leicht erstaunt.

"Ja, manchmal bemerke ich ihren Mangel. Ihre Erinnerung löscht sich jeden Tag mehr. Daher komme ich herauf, um sie näher zu fühlen. Aber was machst du hier?".

"Ich habe dich im ganzen Hause gesucht. Endlich habe ich gedacht, du könntest hier oben sein, Man hat mich soeben von Berlin angerufen und morgen früh muß ich hin, wo mich Propaganda-Minister Goebbels einberufen hat. Vielleicht hat man einen neuen wichtigen Auftrag. Sollte es der Fall sein, werde ich um Genehmigung bitten, neues Personal unter den Zwangsarbeitern aufzunehmen. Wenn man mir die Genehmigung zuläßt, wirst du selber hin nach Sachsenhausen, um deine Auswahl unter den Gefangenen zu machen".

"In Ordnung".

"Deshalb wirst du selber morgen früh die Druckerei eröffnen. Versuch, die Veröffentlichung des General Wilhelm Brückners Buches so schnell wie möglich fortzusetzen, um eine Rotationsmaschine mehr am möglichst bald frei zu erlangen.

"Ja, in Ordnung".

"Und jetzt geh wieder ins Bett. Wenn du schlaflose Nächte verbringst, deshalb bist du müde im Laufe des Tags".

"Ja, ich gehe bald. Ich bleibe hier noch ein paar Minuten".

Nachdem der Vater hinunterging und Überprüfung, daß er nicht mehr in der Nähe war, rief er leise den Thaddäus, der von seinem Versteck herausrutschte.

"Jetzt muß ich weg. Morgen kann ich nicht vielleicht heraufkommen, bis morgen abend. Jetzt aber, mein Geliebter, versuch mal einzuschlafen".

"Du auch, Wolfgang" sagte ihm der Bube mit leichtem Kuß und Lächeln.

Nach einigen Tagen mußte Wolfgang nach Sachsenhausen, um einige neue Zwangsarbeiter für die Druckerei aufzunehmen, wie der Vater erhofft hatte. Als er kaum etwas flüchtig erblickte, was sich dort passierte, blieb er tief beeindruckt und ergriffen. Und als der KZ-Kommandant das Appell blasen ließ, damit er selbst die Zwangsarbeiter wählen könnte, blieb er noch erschütterter.

Er mußte eine kleine Anzahl über verschiedene Hunderte auswählen... und wußte, daß man jemandem eine Überlebenschance gab, die man trotzdem anderen verleugnete. Wen sollte er suchen? Juden, Homosexuellen, Bibelforscher (Jehovas Zeugen), Zigeuner, oder welche andere Kategorie?

Einerseits war er veranlaßt, diejenigen im schlimmsten Stande, die das größte Mitleid erregten. Andererseits mußte er die bestgeeigneten suchen. Anfangs fragte er, wer von ihnen eine Erfahrung an Druckerei hatte, da ließ er dieser Tat seine erste Auswahl. Sechsundvierzig Mann kamen vorne. Er war genehmigt, fünf davon mitzunehmen. Dann ließ er einreihen und zählte im Sinn: den dritten, den dreizehnten, den dreiundzwanzigsten, den dreiunddreißigsten, den dreiundvierzigsten, wobei er somit die Wahl dem Fall zuließ.

Er zeichnete sich ihre Immatrikulationsziffern und ging ins KZ-Büro zur Papierunterzeichnung.

Der Kommandant schaute, welche er gewählt hatte: "Seltsame Auswahl die Ihrige, Herr von Schlegel. Zwei Juden, einen Schwulen, einen Priester und einen Deserteur...".

"Vorher haben Sie alle in einer Druckerei gearbeitet" sagte Wolfgang.

"Auch der Priester? Ja, ich sehe, daß er für das Leipziger-Diözesenwochenblatt verantwortlich war... aber was machen Sie mit dem 67jährigen Juden? Wäre es nicht besser gewesen, einen jüngeren aufzunehmen?".

"Er hat viele Erfahrung, sagt er".

"Bah. Passen Sie auf, mit der Unterschrift dieser Papiere werden Sie für sie verantwortlich: sollte ein von ihnen wegfliehen...".

"Ich weiß es nicht, aber ich glaube es nicht, daß sie es machen können: wo könnten sie hin? Insbesondere, mit Betrachtung darauf, daß die KZ-Uniform immer an haben müssen".

"Ist es Ihnen klar, daß Sie für ihre freie Kost und Wohnung sorgen müssen, was?".

"Sicher ich habe die Anlagen der Genehmigung aufmerksam gelesen, Herr Kommandant".

"Haben Sie einen Revolver?" fragte ihn der Militär.

"Einen Revolver? Und was soll ich denn damit?" fragte Wolfgang erstaunt.

"Sollte jemand die Flucht versuchen, es ist klar".

"Ich bezweifele es, daß sie es versuchen werden" antwortete Wolfgang, jedenfalls habe ich keinen Revolver.

Nach Erledigung sämtlicher bürokratischer Angelegenheiten, ließ sie Wolfgang auf den Lieferwagen-Kasten steigen, mit dem nach Sachsenhausen gekommen war und fuhr bis zur Vaters Druckerei. Hier zeigte er ihnen den Raum, wo sich drei Klappbette aufeinander befanden. Bis zum folgenden Morgen.

"Ich bedauere, wir haben keinen besseren Raum" entschuldigte sich Wolfgang.

Der Deserteur sagte: "Im Vergleich zu unserer vorherigen Wohnung sieht es wie ein Hotelzimmer aus".

Der jüngere der beiden Juden deutete auf den Gefangenen mit dem rosafarbigen Dreieck: "Sollen wir das Zimmer auch mit ihm verteilen?".

"Ziehst du nach Sachsenhausen vor,..." antwortete Wolfgang gereizt, "kann ich dich zurückfahren...".

"Es war nur eine Frage" entschuldigte sich der andere.

"Du hast die Antwort bekommen. Der Verantwortliche eurer Gruppe in diesem Zimmer, wo ihr schlafen werdet, wir er sein" sagte er und deutete somit auf den Priester hin. "Jetzt kommt mit und der Vorarbeiter wird euch eure Arbeitsaufgabe aufgrund eurer reellen Erfahrung zuweisen. Falls ein von euch bzgl. seiner Arbeitserfahrung in der Druckerei angelogen hat..., ist es besser, daß er es sofort sagt".

Wolfgang bemerkte, daß alle ihre Kenntnis im typographischen Gebiet protestierten. Nur der junge Deserteur sagte nichts und schaute auf den Boden, offensichtlich unbehaglich.

Wolfgang schaute die Aufstellung in seiner Hand: "Josef Steinweg, nachdem euch der Vorarbeiter eure Arbeitsaufgaben zugewiesen hat, komm in mein Büro".

"Jawohl, mein Herr" antwortete der junge Deserteur.

Als Steinweg in seinem Büro erschien, ließ ihn Wolfgang Platz nehmen: "Welche Aufgabe hat dir der Vorarbeiter zugewiesen?".

"Füllung bis zum Rand der Niveaus der Tinten und Nachprüfung ihrer Fluidität, mein Herr".

"Hast du ihm nicht gesagt, daß du nie in einer Druckerei gearbeitet hast, nicht wahr?".

Der Junge schaute ihn ganze besorgt: "Bitte, mein Herr, schicken Si mich nicht nach Sachsenhausen zurück... Diejenigen wie ich werden an der erstmöglichen Gelegenheit erschossen. Alle sind genehmigt, auf Deserteure zu schießen... dann werden sie sagen, daß wir die Flucht versuchten. Bitte, mein Herr...".

"Als ich nach dem Lügner gefragt habe, hast du den Mut nicht gehabt, es zuzugeben".

"Ich dachte, ich werde lernen können... ich wollte nicht hinzurückgeschickt werden...".

"Ja, sicher, du kannst lernen. Die einzige schwierige Seite der dir zugewiesenen Aufgabe ist die Nachprüfung der Fluidität der Tinten... Ich selbst werde dich lehren".

"Danke, mein Herr, ich werde mein Bestmögliches machen".

"Warum bist du fahnenflüchtig geworden?".

"Weil ich ein Feigling bin, mein Herr. Jede Nacht hatte ich Ängste: so viele Leute hatte ich getötet, so viele Kameraden auch lagen tot mir herum".

"Warst du an der Front? Wo?".

"Als ich desertierte, war ich in Wolkhov".

"Du hast getötet, um deinerseits nicht getötet zu werden" sagte ihm Wolfgang.

"Auch Frauen, Kinder, Greisen, mein Herr? Man schoß gegen allerlei Bewegendes. Ich will mich auf keinen Fall rechtfertigen, mein Herr, ich weiß es, daß ich ein Feigling bin. Aber man kann sich nicht den Mut geben, den man nicht hat".

"Ich kann dich nicht beurteilen... denn statt an der Front zu sein, bin ich hier in Sicherheit. Versuche, deine Aufgabe gut zu erledigen, gut und schnell zu lernen".

"Darf ich Ihnen eine Frage stellen, mein Herr?",

"Ja, sicher".

"Warum haben Sie mich gewählt?".

"Warum nicht dich? Was ihr in der Vergangenheit gemacht hat, interessiert mich nicht. Was mich hier interessiert, ist wie ihr hier arbeiten werdet. Mach dein Bestes, Steinweg. Jetzt geh hin und sende mir irgend wen der anderen vier".

"Ja, Danke, mein Herr".

Eigentlich wollte Wolfgang mit Valentin Obermann, dem schwulen 28jährigen Gefangenen sprechen. Aber da er nicht nur ihn einberufen wollte, sprach er mit allen. Als es seine Rolle war, ließ er ihn auch Platz nehmen.

"Obermann, welche Erfahrung hast du in der Druckerei? Hier lese ich, daß du ein Kellner warst...".

"Vorher arbeitete ich für das Institut von Herrn Hirschfeld, und beschäftigte mich um den Druck der Werke des Instituts. Ein Freund von Herrn Hirschfeld hatte eine kleine Druckerei und ich arbeitete dort. Als das Institut geschlossen wurde, blieb ich arbeitslos und wurde Kellner".

"Wie lange bist du in Sachsenhausen?".

"Zwei Jahre, drei Monate und zwölf Tage, mein Herr".

"Du bist nicht in so schlimmen Stande, wie die anderen, die ich gesehen habe, und die wie du ebenfalls das rosafarbige Dreieck trugen. Was hast du gemacht, zum Überleben"?

"Der junge Mann erniedrigte den Blick. "Ich... ich war der Kapos Schützling".

"Er auch schwul?".

"Nein, mein Herr. Niemand mit rosafarbigem Dreieck ist Kapo gewesen. Ein gemeiner Verbrecher, mein Herr, mit grünem Dreieck, ein Mehrmörder. Er wählte mich, um ihm... zu dienen. Seitdem wir das rosafarbiges Dreieck anhatten, waren wir die KZ-Huren geworden...".

Wolfgang war erregt. "Versuche, die anderen Gesellen hier nicht zu belästigen".

Obermann schaute ihn überrascht: "Glauben Sie, in meinem Stande, könnte ich nur daran denken, mein Herr?".

"Manchmal will Fleisch seine Rolle in Anspruch nehmen. Niemand von uns ist ein Heiliger. Aber ich möchte es nicht, daß hier drin Probleme gestiftet werden".

"Nicht um meine Schuld, mein Herr. Ihnen Dank hat es mir geklappt, dem Kapo zu entlaufen".

"Mißhandelte er dich?".

Obermann lächelte bitterlich: "Er gab mir zu essen... dreimal am Tag... jeweils nach Sexgenuß mit ihm. Zwischen einem Genuß und dem anderen..., während ich für ihn arbeitete, mußte ich den Griff einer Brüste im After halten, den er mit dem Fuß hin- und herzog. Außerdem mußte ich ihm dafür danken. Manchmal steckte er meine Speise. Manchmal warf er meine Speise zum Boden und ich mußte essen, ohne Händebenutzung... während er es mir ins Arsch fickte. Endlich urinierte er sogar in meine Suppe, bevor er mir gestattete, sie zu essen...

"Mein Gott! Was für ein Tier war er!".

"Aber mindestens aß ich, mein Herr. Kapos haben einen Knaben bestrafen, der es verweigert hatte... Zunächst wurde er fast eine Woche lang ohne Speise gelassen... dann, als er nochmals verweigerte, wurde er mit Fußschlägen ermordet... Mindestens bin ich noch im Leben, mein Herr!".

"Aber... der KZ-Kommandant, was macht er? Gestattet er all das?" fragte Wolfgang haarbesträubt.

"Wer versuchte, sich zu beschweren, zu protestieren, normalerweise erreichte er den nächsten Tag nicht, mein Herr. Sie nennen mich Obermann, dort drin waren wir Zahlen, zu schreiben und auszulöschen. Insbesondere auszulöschen".

CONTINUES IN KAPITEL 6


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