USUAL DISCLAIMER

"MALGRÉ TOUT (TROTZ ALLEDEM)" is a gay story, with some parts containing graphic scenes of sex between males. So, if in your land, religion, family, opinion and so on this is not good for you, it will be better not to read this story. But if you really want, or because YOU don't care, or because you think you really want to read it, please be my welcomed guest.

MALGRÉ TOUT
(TROTZ ALLEDEM)
von Andrej Koymasky © 2011
am 8 Mai 1985 geschrieben
Deutsche Übersetzung: Mario Mosa
KAPITEL 2
DIE ERSETZUNG

Beim Ausgang aus der Kirche fiel es ihnen auf, daß die Leute eine Gruppe gebildet hatten, statt wie üblich plaudernd und sich grüssend nach Hause hinausströmten. Jean schmuggelte unter die Leute gerannt ein. Jacques näherte sich dem Jules.

"Was ist los? Was passiert sich?".

"Ich weiß es nicht. Hier sind ein Offizier und ein Tambour. Es scheint, sie sollen einen Aufrufruf vorlesen".

"Einen Aufruf? Meinst du des Kaisers?".

"So scheint es. Hier ist auch der Bürgermeister...".

In jenem Zeitpunkt fing der Tambour an, seinen Rhythmus zu schlagen und rief laut auf: "Höret zu! Höret zu! Höret zu!" und dann ließ er die Trommel wirbeln.

Im allgemeinen Stillschweigen begann der Offizier, den Anruf des französischen Kaisers vorzulesen und je mehr die Leute den Aufrufssinn begriffen, vertiefte sich dieses Stillschweigen.

Um seinen heiligen Boden zu verteidigen, hatte Frankreich den Krieg gegen Preußen erklären müssen. Daher mußte jede Stadt und jedes Dorf eine bestimmte Militärzahl für die kaiserliche Armee liefern. Der Bürgermeister hätte die Aufstellung aller starken Dorfsmänner aufstellen sollen, unter welchen man eine bestimmte Zahl gleich einem Viertel des Gesamten ausgelost hätte. Jeder ausgeloste sollte entweder vor der Kirche tags darauf um Mittag erscheinen, oder einen Ersatzmann unter den nicht ausgelosten Männern finden, der ihn freiwillig ersetzen wollte. Davon wäre die Schar bis zur Kaserne in Épinal geführt, wo sie mit Uniformen und Waffen geliefert und dann in irgendeine Kompanie oder in irgendeinen Regiment angeschlossen würde.

Im Dorf ergaben sich zweiundsiebzig kriegskräftige Männer, deshalb hätten mindestens achtzehn abgehen müssen. Die Freiwilligen, die aber hätten unverzüglich vor der Auslosung erscheinen müssen, hätten Doppelsold bekommen. Die achtzehn mußten außer der Freiwilligenzahl ausgelost werden. Die Auslosung würde in der Gastwirtschaft stattfinden.

"Es ist der Krieg!" kommentierten die Leute, aufgeregt, vermißt. Der Offizier und der Bürgermeister, vom Tambour und vom Notar gefolgt, kamen mitten unter die Leute und betraten die Gastwirtschaft, wo sie an einem Tisch mit allen notwendigen Aktenheften Platz nahmen. Drei Freiwilligen erschienen. Der Offizier nahm ihre Personalien auf, ließ sie unterschreiben und berief sie ein mit der Ausrichtung, sie sollten sich dort tags darauf um Mittag befinden und als Anwerbungspreis gab er ihnen sofort einige Münzen.

Nach Durchstrich der drei Namen aus der Aufstellung fand die Auslosung der anderen achtzehn Namen statt. Die Leute bemerkten von außen, im Versuch, die ausgelosten Namen zu hören. Einige Namen verlauteten manchmal und dann fielen brüske Reaktionen auf, manchmal waren sie resigniert oder gleichgültig seitens der Interessenten, die sich zufällig draußen befanden. Aber keine Reaktion war befriedigt.

Letzten Endes erschien Herr Duhamel Notar auf der Tür und las laut die achtzehn Namen vor, dann wies er alle darauf hin: wollte sich irgendwer ersetzen lassen, sollte er bis tags darauf um 10 Uhr mit seinem Ersatzmann erscheinen, um das Ersetzungsprotokoll aufzunehmen.

Die ganze Zeit lang hatte Jacques gebetet, entweder zusammen mit seinem Sylvestre ausgelost zu werden, oder daß niemand von den beiden in der Aufstellung erschien, so daß er sich nicht hätte von seinem heimlichen Geliebten trennen müssen. Aber das Glück stand ihm nicht bei, seine Gebete wurden unerhört: Sylvestre war unter den achtzehn ausgelosten, aber er nicht. Jacques suchte ihn mit den Augen unter den Leuten und bemerkte ihn neben seinem Vater, weder verärgert noch zufrieden, ernst. Der Vater sah im Gegenteil sehr schroff aus. Er sah Patron Teissier zum Notar gehen und mit ihm leise diskutieren, während sich Sylvestre mit seinen Schwester auf den Weg nach Hause machte.

An Jacques gewandt, sagte Jules: "Schweiße, wir haben viel Schwein gehabt: weder du noch ich sind einberufen worden!".

"Du warst nicht in der Aufstellung, um ein Jahr bist noch zu jung. Um an der Armee teilzunehmen, muß man siebzehn sein".

"Nu, besser so, aber du hast Schwein gehabt. Kommen wir nach Hause und sagen Mutter und den anderen Bescheid, los!".

Nun dann bemerkte Jacques, daß unter den Anwesenden sehr wenige Frauen hinterblieben waren. Zusammen mit Jules machte er sich auf den Weg nach Hause. Aber im Gegenteil zu seinem Bruder war er schweigsam und gespannt. Er war traurig, weil sein Gebet nicht erhört wurde: er wäre von seinem Sylvestre getrennt gewesen. Getrennt... wie lange? Vielleicht auch endgültig, ein Krieg ist immer ein Krieg! Während der Winternächte hatte er of die Älteren vom Krieg sprechen gehört. Jemand sprach davon mit Wut, jemand mit Heimweh, andere noch mit Schmerz, andere noch wie von einem der vielen Lebensfacetten...

Jacques konnte sich nicht einmal vorstellen, wer unter den Alten das richtige Bild übermitteln konnte. Vielleicht hatten alle teilweise recht, dachte er. Aber gründlich kam all das auf ihn sehr wenig an: die Hauptsache, die seine Gedanken erfüllte, war die Tatsache, daß er tags darauf von seinem Sylvestre getrennt wäre. Aus innerem Antrieb wollte er ihn besuchen und nahm sich vor, ihn sofort nach dem Mittagessen zu suchen.

An der Nachricht sah die Mutter nicht besonders zufrieden aus. Ihr einziges Kommentar war, während sie im Kochtopf das magere Essen mischte: "Mindestens riskieren wir nicht, mehr als jetzt an Hunger zu sterben...".

Nur Jean sah enttäuscht aus, auf einen Bruder am Militär stolz sein zu können, aber Marie verwarf es ihm. Als Jules gesagt hatte, Patron Sylvestre war ausgelost worden, bemerkte Jacques, daß sich Marie in finsteres Schweigen hüllte. Jacques dachte, nur sie zwei waren an jener Nachricht schmerzerfüllt und empfand Sympathie für seine Schwester. Während des Essens sahen nur Madelon und Jean lebhaft und lustig aus. Jules war heiter, aber wahrscheinlich, die Spannung von Marie und Jules bemerkend, hielt weises Stillschweigen. Die Mutter war finster, wie es andererseits allzuoft vorkam. Obwohl sie nur achtunddreißig war, war sie seit dem Tod ihres Manns rasch verblüht. Die Mühen und die Sorgen im Aufziehen ihrer fünf Kinder hatten sie geschwächt und aufgezehrt, obwohl sie physisch noch eine starke Frau war.

Nach dem armen Essen ging Jacques von Zuhause hinaus und machte sich auf den Weg zum Gutshof daneben von Patron Teissier. Er ging langsam, die Hände in die gelochten Taschen vertieft, daran denkend, was er dem Sylvestre hätte sagen können. Daß er bedauerte, daß man ihn ausgelost hatte? Daß er bedauerte, ihn für man weiß nicht wie lange Zeit nicht mehr zu sehen? Aber gründlich hatte es sich zwischen den beiden keine eigentliche Intimität gegeben... Er konnte ihm einfach alles Beste wünschen... ja, als Arbeiter seines Vaters, wäre es nicht seltsam ausgesehen... Er hätte ihm die Hand gedrückt... sicher konnte er ihn leider nicht umarmen... Aber es wäre ihm gefallen, es machen zu können... ja, es wäre ihm sehr viel gefallen, insbesondere jetzt, daß sie dabei waren, sich zu trennen.

Sobald er auf der Tenne war, fühlte sich Jacques etwas unsicher. Was sollte er jetzt machen? Darauf warten, daß Sylvestre oder irgendwer sonst herauskam? An der Tür klopfen? Er guckte sich herum, wie ob er eine Erleuchtung oder eine Antwort suchen wollte. Die Tür der Herrenwohnung eröffnete sich und Patron Teissier erschien. Jacques fühlte sich verlegen. Aber der Mann winkte ihm mit der Hand zu, daß er sich annähern möchte. Der Junge kam zu ihm und er war jetzt ihm gegenüber.

"Bist du Jacques Marandin, gelt?".

"Ja, Patron Teissier".

"Komm herein, ich muß dich sprechen".

Jacques folgte ihm und fragte sich inzwischen, was er von ihm verlangen konnte. Sollte er sich seiner Arbeit beschweren? Es schien ihm schwer, er hatte immer sein Bestmögliches gemacht, aber wer kommandiert, scheint nie zufrieden...

Der Vater führte ihn zu einem Wohnzimmer und nahm Platz am Tisch. Er stand. Vom Wachsgeruch der Möbel und vom muffigen Geruch bekam er den Eindruck, sich in einer Sakristei zu befinden, wenn damit auch ein leichter Pfeifegeruch eingemischt war. Der Mann goß sich zu trinken, aber er lud den Jungen nicht zum Sitzen ein und auch bot er ihm nichts zu trinken. Aber weder eine Sache noch die andere schien dem Jacques seltsam; er hätte das Gegenteil seltsam gefunden.

"Zu Hause seid ihr fünf Geschwister, außer eurer Mutter, was?".

"Ja, Herr Patron".

"Und so weit es sich bei mir ergibt, macht ihr nicht zu gute Zeiten durch, nicht?".

"Wir beschweren uns nicht, Herr Patron".

"Seid ihr zu viert zu Hause, die bezahlt werdet, ja?".

"Ja, Herr Patron, als Arbeiter, nur in den Notzeiten...".

"Ja. Daher wird Winter hart".

"Manchmal ja, es stimmt..." antwortete der Junge, an jenem ungewöhnlichen Interesse erstaunt.

Der Mann ging weiter: "Sollte sich zu Hause ein festes Gehalt als... zum Beispiel, Stallknecht geben, außer eurer Arbeitergehalte... würde es euch vielleicht besser gehen, oder?".

"Oh, ja, Herr Patron, es würde uns viel bessere gehen, wie zur Lebzeit unseres Vaters...".

"Der ausgerechnet Stallknecht war, ja?".

"Es trifft zu, Herr Patron".

"Ja, so hat mir der Verwalter gesagt".

Jacques fragte sich, wolle ihm der Mann vielleicht eine Stallknechtsstelle vorschlagen. Es wäre ein großes Glück für seine Familie gewesen. Aber er sah einer besseren Erklärung des Manns entgegen. Dieser tändelte mit dem Glas, dann trank einen anderen Schluck.

Dann sagte er: "Weißt du, daß mein Sohn zum Krieg ausgelost worden ist, was?".

"Ja, ich war auch dort, Herr Patron".

"Mein einziger männlicher Sohn. Mein Erbe. Es ist ein böser Schlag gewesen, ein wahres Unglück".

"Ja, Herr Patron" sagte der Junge überzeugt.

"Dir im Gegenteil... ist es gut geklappt, nicht?".

"Ich hätte es vorgezogen, mit einberufen zu werden",

Der Mann guckte ihn erstaunt: "Warum denn bist du nicht als Freiwillige erschienen?".

"Ich hätte es vor der Auslosung entscheiden sollen, nicht danach... und dann würde ich meine ganze Familie an Hunger sterben lassen, sollte ich sie so im Stich lassen, Herr Patron...".

"Ja, ich verstehe. Also, hör mal, ich hätte einen Vorschlag für dich. Solltest du ihn nicht akzeptieren, werde ich dich verstehen und nicht mehr darauf zurückkommen, ich werde dir nicht böse sein. Wenn ich deinem Bruder, dem mit sechzehn Jahren, die Stallknechtsstelle anbieten und außerdem dir diese Goldmünzen schenken... - sagte der Mann, ein Säckchen auf dem Tischlein ausleerend - wärst du damit einverstanden, meinen Sohn im Krieg zu ersetzen?".

"Jules als Stallknecht und ich als Militär?" fragte Jacques, der jenen Vorschlag bestimmt nicht erwartet hatte.

"Ja".

Der Junge überlegte. Seine Annahme hätte sowohl seinen Sylvestre gerettet wie auch seine Familie. Vielleicht hätte er den Sylvestre nicht mehr wiedergesehen, aber jedenfalls bestand auch im Falle einer Nichtakzeptierung das Risiko sowieso, ihn nicht mehr wiederzusehen. Und wäre Sylvestre im Krieg gefallen, dann hätte er es sich nie verzeihen können, da ihm jetzt die Möglichkeit geboten war, ihn zu retten.

"Herr Patron, ich akzeptiere".

Der Mann sah einen Augenblick etwas überrascht, dann winkte ihm anlächelnd zu.

"Was soll ich machen, Herr Patron?".

"Du mußt sofort mit mir und meinem Sohn zum Notar und zum Offizier zur Ersetzung kommen".

"In Ordnung, Herr Patron".

"Warte mich hier. Ich teile die gute Nachricht meinem Sohn mit und dann gehen wir hin".

Der Mann ging hinaus. Jacques schaute die Goldmünzen. Er versuchte, sie zu zählen, aber er wagte nicht einmal, sie zu berühren. Er hatte nie eine einzige Goldmünze in der Hand gehalten. Sie glänzten auf dem Tisch und jetzt gehörten sie ihm. Oder besser seiner Familie. Wie hätte sich seine Mutter gefreut... und seine Geschwister. Und Sylvestre, auch. Dieser letzte Gedanke erwärmte ihm das Herz.

Die Tür machte sich auf und Sylvestre betrat das Zimmer.

"Jacques, ich will dich sprechen".

"Ja, Patron Sylvestre".

"Nimm Platz".

"Es spielt keine Rolle..." antwortete der Junge behindert.

"Ich habe dir gesagt, Platz zu nehmen" wiederholte der andere.

Jacques gehorchte.

"Vati hat mir gesagt, was er dich erbeten hat. Und er sagt, daß du akzeptiert hast. Stimmt es?".

"Ja, es stimmt".

"Warum hast du akzeptiert? Hat dich mein Vater gezwungen?".

"Nein, im Gegenteil. Er hat mir ein sehr gutes Angebot unterstellt. Jetzt, daß ich akzeptiert habe, wird es meiner Familie viel besser gehen".

"Aber du, wolltest du in den Krieg ziehen?".

"Ich? Wenn Sie hin zogen, Herr Patron, warum sollte ich nicht?".

"Ich bin ausgelost worden. Für mich ist es eine Pflicht".

"Diese Ihre Pflicht übernehme ich selbst gerne".

"Aber warum? Ich will den eigentlichen Grund verstehen".

"Ich habe es Ihnen gesagt, Herr Patron...".

"Ist es nur für deine Familie?".

"Nein... es ist auch für Sie...".

"Ja, für mich. Und warum für mich?".

"Weil Sie..." fing Jacques an, der dann aber schwieg, verwirrt.

"Weil ich..." betonte Sylvestre, ihn forschend.

"Weil Sie... für mich viel bedeuten".

"Bedeuten? Wie bedeuten? In welchem Zusammenhang?" betonte wieder Sylvestre.

Jacques wußte nicht, was zu sagen. Er war sich darüber im klaren, ihm den eigentlichen Grund erklären zu können. Er konnte ihm nicht seine Liebe zu ihm offenbaren. Deshalb schwieg er.

Sylvestre sagte ihm dann: "Ich habe festgestellt, daß du seit einiger Zeit mich oft erblickst".

"Sie erblicken oft meine Schwester Marie...".

"Ja, es stimmt... Ist es dafür?".

"Ich... ich möchte Sie um einen großen Gefallen bitten... wenn Sie sich nicht mit mir verärgern".

"Und zwar?".

"Tragen Sie bitte dafür Sorge, daß während meiner Abwesenheit oder im Falle meiner Nichtrückkehr sich nichts Schlimmes meiner Familie passiert. Insbesondere meiner Schwester Marie".

"Bist du wirklich entschieden, hin an meiner Stelle ersatzweise zu gehen?".

"Ja, Herr Patron Sylvestre. Wenn Sie mir dieses Versprechen leisten".

"Es ist nicht richtig, dein Leben an meiner Stelle aufs Risiko zu setzen".

"Doch, sollte dies mir die Aufgabe erleichtern, Ihr Leben und meine Familie zu retten. Bitte lassen Sie mich an Ihrer Stelle gehen".

"Jacques, ich verspreche dir, alles zu machen, daß es deiner Familie wohl geht. Und daß Marie... in wie weit es auf mich ankommt, weder Enttäuschungen noch Schmerzen erlebt. Aber ich werde jeden Tag beten, ich schwöre es dir, damit du nach diesem Krieg heil und unversehrt heim zurückkommen kannst. Ich werden jeden Tag für dich beten und... daß der Herr uns beisteht".

"Danke, Herr Patron Sylvestre".

"Danke dir, Jacques. Und... ich gestatte dir nicht mehr, mich Patron anzureden. Nur Sylvestre".

"Aber...".

"Ich bitte dich...".

"Wie Sie wollen, Sylvestre".

Sylvestre stand auf und sofort stand auch Jacques auf. Sylvestre umarmte Jacques und druckte ihn stark an sich. Jacques fühlte sich aus dem Glück todesnah. Für ihn galt jene Umarmung vielmehr als das ganze Gold des Vaters seines Geliebten. Dann ließ ihn Sylvestre los, sammelte alle Münzen, steckte sich ins Säckchen und reichte es dem Jungen. Schließlich streifte er von seinem Finger den Goldring ab und steckte ihn dem Jacques in seinen Finger auf.

"Diesen Ring... hatte mir mein Opa geschenkt. Halte ihn als Talisman und mein Andenken".

Jacques nickte und fühlte sich so erschüttert mit einem Würgen in der Kehle und war dem Weinen nah.

Sie gingen zur Gastwirtschaft und erledigten die Ersatzerklärung. Jacques unterzeichnete mit einem Kreuz und zwei Zeugen unterzeichneten die Erklärung, daß jenes Kreuz die Unterschrift von Jacques Marandin war, Sohn des verstorbenen Louis und der Chantal Rousset, mit erfülltem zwanzigstem Lebensjahr.

Die Teissier kamen nach Hause zurück. Jacques betrat die Kirche und kniete vor der Balustrade, um dem Herrn zu danken, ihm die Möglichkeit gegeben zu haben, seinem Sylvestre und seiner Familie zugleich nützlich zu sein. Dann kam er heiter und zufrieden nach Hause zurück.

Die Mutter saß dem Hause gegenüber, mit der Erneuerung eines Strohsacks beschäftigt. Sie erneuerte sie alle jedes Jahr, einen nach dem anderen, um eine Trocknung oder Zerquatschung der Blätter zu vermeiden. Jacques stellte fest, daß sie ausgerechnet den Seinigen erneuerte, den er nicht mehr verwenden würde, worauf er tief erschüttert war. Die Frau sah ihn kommen, dann machte sie wieder den Kopf nieder, mit ihrer Arbeit beschäftigt.

"Mutter, kommen Sie ins Haus. Wo sind Jules und Marie?".

"Innen. Was ist los?".

"Kommen Sie herein. Ich muß euch wichtige Sachen bekannt geben".

Die Frau kam herein, von ihrem Sohn gefolgt. Dieser zog die Beachtung seiner Brüder heran und befahl sie, um den Tisch zu sitzen.

"Nun, zuerst, Jules, ab morgen wird dir Patron Teissier eine feste Stelle als Stallknecht geben, wie er sie unserem Vater gab".

"Dem Jules? Und warum nicht dir?" fragte die Mutter erstaunt.

Jacques antwortete nicht, aber sprach weiter: "Dann hat sich Patron Sylvestre verpflichtet, dich, Marie, zu überwachen, damit dir nichts Schlimmes vorkommt".

"Sylvestre?" fragte die Schwester; sie riß die Augen auf und errötete leicht.

Die Mutter rief finster aus: "Warum muß er sich damit beschäftigen? Was geht das auf ihn an? Bist du nicht zuständig dafür? Und dann Patron Sylvestre muß in den Krieg ziehen. Was willst du uns denn sagen?".

Jaques zog von seiner Tasche das Säckchen mit den Goldmünzen heraus, auf dem die ganze Zeit lang eine Hand gehalten hatte, in der Befürchtung, es zu verlieren, machte es auf und ließ den Inhalt auf den Tisch umfallen. Die Münzen streuten sich überall klingelnd. Alle schauten sie bezaubert. Dann schaute die Mutter Jacques mit müdem, resigniertem Ausdruck.

"Du... du hast Patron Sylvestre dann ersetzt".

"Ja, Mutter. So könnt ihr anständig leben. Und du, Jules, jetzt, daß ich in den Krieg ziehe, du wirst zum Familienmann. Ich empfehle dir, stell dir gutes Zeugnis aus".

Einige Minuten lang sprach niemand, niemand berührte jene glänzenden Goldmünzen, niemand hatte den Mut, Jacques in die Augen zu schauen. Die Mutter hatte die Hände zusammengeknüpft und auf den Schoß fallen lassen, schwankte leicht den Rumpf und her vorne und hinten und sprach leise mit den Augen fest aber nicht scharf auf die Goldmünzen:

"Du auch... nach deinem Vater... jetzt auch du... Und dann wer noch sonst?" wiederholte sie wie im Geleier, ohne Vorwurf, aber schmerzvoll.

"Besser elend zusammen als..." sagte die Mutter, ihn in die Augen schauend, mit traurigem Ausdruck, aber mit keiner mindesten Träne.

"Mutter... vielleicht werde ich zurück...".

"Vielleicht".

"Jules wird sich um euch kümmern, ich lasse euch nicht im Stich".

"Ja".

"Diese Goldmünzen werden euch nützlich sein, ihr werdet das Haus reparieren, besseren Wohlstand finden. Bitte, seien Sie nicht so traurig".

"Goldmünzen zum Austausch deines Lebens... wie jene zum Tode Jesu Christi".

"Nein, Mutter. Kein Verrat liegt hier vor. Jedenfalls habe ich mein Leben nicht verkauft. Es ist viel verschiedener".

"Meinst du? Auch im Elend habe ich immer versucht, unsere Anständigkeit unversehrt zu behalten".

"Und sie bleibt noch ganz, Mutter! Kein Handel liegt vor. Unser Kaiser benötigt Militärs, um die Franzosen zu verteidigen, und zwar auch uns, auch euch! Warum wollen Sie es nicht unter diesem Auge sehen? Hätte man mich ausgelost, hätte ich wirklich hinziehen müssen und euch wirklich verzweifelt in äußerstem Elend verlassen. Aber ich wäre hingezogen. Daher ist es nicht besser so?".

"Aber Patron Sylvestre mußte hin" betonte die Mutter.

"Er ist Patron Teissiers einziger männlicher Sohn. Sie, Mutter, haben zwei andere männliche Söhne, auf denen Sie rechnen können, obwohl ich nicht zurück sollte. Aber ich werde zurück, ihr werdet sehen...".

"Nein, ich ahne es voraus. Du wirst nicht zurück, mein Sohn. Aber jetzt... du hast deinen eigenen Kopf durchgesetzt...".

"Nehmen Sie jene Goldmünzen, Mutter. Mindestens lassen Sie mich bitte zufrieden abfahren...".

Die Frau steckte die Goldmünzen ins Säckchen wieder ein und steckte es sich in den Schoß. Dann streckte sie die Hand aus und legte sie schweigende auf die ihres Sohns.

Tags darauf begab sich Jacques zur Gastwirtschaft. Der Offizier, der ihnen folgte, reihte und gliederte alle zwanzig ein und der Tambour führte sie voran. Die Familien begleiteten sie bis zu den Dorfstoren und hielten; die jüngeren und reiferen Männer entfernten sich, ohne sich zurückzudrehen. Die Familien begrüßten sie nicht aber blieben in stummer Schar auf der staubigen Straße stehen. Die Schar verschwand hinter den Bäumen der Abbiegung.

Jacques ging schweigend neben seinen Kameraden. Jeder von ihnen fühlte den ersten, vielleicht auch den endgültigen Abschied ihres Lebens, mit innerer, unabwendbarer Verletzung. Ausgerechnet zum Zeitpunkt, als Jacques in seinem Herzen einen erschütterten Gruß an seinen Sylvestre ausrichtete, sah er diesen auf dem Straßenrand stehen. Ihre Augen trafen sich, keiner der beiden winkte dem anderen zu, keiner der beiden sagte ein einziges Wort, aber ihre Augen tauschten sich einander stumme jedoch vielsagende Meldungen.

Mit dem Daumen streifte Jacques den Ring, den ihm Sylvestre gegeben hatte und verstand, daß auch Sylvestre nach seinem Kopf ihn liebte.

CONTINUES IN KAPITEL 3


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